Weinkritikerin Jancis Robinson über "spannendste Weine"

02.12.25

Die weltweit einflussreichste Weinkritikerin Jancis Robinson gewährt Einblicke in Ihren Erfahrungsschatz. Autorin Verena Haart Gaspar sprach für das SZ Magazin mit der Engländerin. Auszüge des Interviews haben wir für Sie zusammengefasst.

 

  • Branchennews
Weinkritikerin Jancis Robinson
Weinkritikerin Jancis Robinson

Wenn Sie für den Rest Ihres Lebens nur noch eine Rebsorte trinken könnten, welche würden Sie wählen?

Ich habe immer gesagt, dass Riesling für mich die beste Weißweintraube der Welt ist (…). Aber ich liebe zum Beispiel auch deutschen Silvaner (...).

Warum Riesling?

Weil er deutlich zum Ausdruck bringt, wo und auf welchem Boden er gewachsen ist. Ein Riesling ist erfrischend, hat meistens keinen hohen Alkoholgehalt und ist ein idealer Essensbegleiter. Und er kann sehr lange in der Flasche reifen. 

Sie beschreiben Wein auch als "Geografie in der Flasche".

Ja, denn bei keinem anderen Produkt, das wir konsumieren, kann man auf dem Etikett erkennen, woher es stammt, woraus es besteht und wann es hergestellt wurde. Jede Weinflasche kann man auf einer Landkarte verorten. Faszinierend!

Können Sie die Geografie auch schmecken?

Die wissenschaftliche Theorie, dass die Rebe über ihre Wurzeln kleinste Fragmente des Gesteins aufnimmt und so in die Trauben abgibt, ist widerlegt. Trotzdem finde ich, dass Weine, die z.B. auf vulkanischen Böden wachsen, etwas gemeinsam haben. Und durch die Stilistik eines Weines lassen sich auch Rückschlüsse ziehen, in welchem Klima und in welcher Region die Trauben gewachsen sind.

Was halten Sie von alkoholfreien Weinen?

(...) Ich weiß, dass viele an der Entwicklung eines guten alkoholfreien Weins arbeiten. Das ist der Heilige Gral.

Studien belegen, dass Frauen den besseren Geschmacks- und Geruchssinn haben. Nehmen Sie das auch so wahr?

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele männliche Weinproduzenten zu mir schon gesagt haben: Meine Frau ist eine viel bessere Verkosterin als ich. Wahrscheinlich ist es evolutionär bedingt. In der Frühzeit waren es meistens die Frauen, die am Geruch beurteilten, ob Fleisch oder andere Vorräte noch genießbar waren. Außerdem ist bewiesen, dass Frauen mehr Geschmacksrezeptoren auf der Zunge haben.

Anders als bekannte Weinkritiker wie Robert Parker oder James Suckling vergeben Sie nur maximal 20 statt der üblichen 100 Punkte. Warum?

Das ist unser Unterscheidungsmerkmal. Und ich bin ziemlich stolz darauf, dass 18 Punkte für uns lange ein sehr hoher Wert waren. Die Qualität der Weine wird immer besser, aber auch der Wettbewerb auf dem Weinmarkt immer härter.

Wenn man schon seit Jahren mit 100 von 100 Punkten um sich wirft, gibt es keine Luft mehr nach oben. Sie haben 152 Weine mit 20 Punkten bewertet, darunter auch deutsche Weine von Egon Müller, Joh. Jos. Prüm oder dem Weingut Dönnhoff. Was macht einen großen Wein aus?

Die perfekte Balance. Er muss interessant und faszinierend sein. Je länger er im Mund nachhallt, desto besser. Und: Große Weine müssen reifen können. Oft entfalten sie erst nach ein paar Jahren in der Flasche ihr Potenzial.

Finden Sie die Weinwelt zu elitär?

Viele aus der Branche wollen Wein zugänglicher machen, aber es ist eben ein komplexes Luxusprodukt. Die Zeiten, in denen man Wein trank, weil Wasser nicht sauber war, sind lange vorbei. Der Markt für einfache Weine schrumpft. Es geht oft nur noch um teure Premiumweine. Dabei sind die spannendsten Weine nicht am Ende der Preisskala zu finden, sondern eher im Mittelfeld.

Hintegrund:
Jancis Robinson wurde 1950 in der Grafschaft Cumbria nahe der schottischen Grenze geboren. Später studierte sie Mathematik und Philosophie in Oxford. Sie hat mehrere Bücher über Wein geschrieben und tritt in Film- und Fernsehproduktionen auf. Seit mehr als 30 Jahren schreibt sie eine Weinkolumne für die englischsprachige Financial Times. Im Jahr 2000 gründete sie jancisrobinson. com. Dort veröffentlicht sie Nachrichten aus der Weinwelt sowie Weinbewertungen. Außerdem gibt sie den Großen Weinatlas heraus, der als Standardwerk gilt, um sich über Anbaugebiete, Rebsorten und Produzenten in aller Welt zu informieren. Die einflussreiche Weinkritikerin hat in ihrer Karriere schon mehr als 116 000 Weine bewertet.

Weiterführende Informationen

  • SZ Magazin Vollversion/Paywall

  • Homepage Jancis Robinson