1. Was ist das Verrückteste, das Ihnen in Ihrem Beruf passiert ist?
Gelegentlich werde ich von Stammkunden zum Dinner eingeladen, um besondere Weine zu verkosten und dem Abend ein wenig mehr Know-How zu verleihen. Es ging eigentlich um etwas ganz anderes, als Kellerfund wurde beim Apero dann aber ein Burgunder erwähnt, bei dem man sich nicht sicher war, ob der noch gut ist. Wenig später öffnete ich eine 1993er La Tâche von Domaine de la Romanée Conti. Skurril war, dass keiner der Gastgeber Burgunderfan war und ich daher die Flasche für mich allein hatte. Als ich später auf der Straße stand, habe ich ganz laut gelacht. Noch Wochen später hatte ich ein schelmisches Grinsen im Gesicht und den Geschmack dieses perfekten Burgunders auf der Zunge. Übrigens, viele wissen gar nicht, dass Deutschland (mehr und mehr) auch ein Burgunder-Land wird; im weltweiten Rebflächenvergleich ist Deutschland mittlerweile auf Rang 3, Tendenz steigend.
2. „Sie als Frau…“, war das in Ihrer Karriere ein Thema?
In den ersten Jahren habe ich sehr hart für meine Anerkennung gekämpft. Ich bin damit gewachsen, habe mich stark positioniert und mich weiter entwickelt. Als dann jemand einmal den despektierlichen Satz „Respekt, und das als Frau!“ mir gegenüber aussprach, war ich schockiert über die veraltete Denkweise. Dieses Thema wird in den letzten Jahren in meinen Augen falsch kommuniziert. Ich möchte keine Anerkennung, weil ich eine Frau bin, sondern weil ich, Anja Schröder, sie verdiene. Parität auf natürliche Weise ist mir sehr wichtig.
3. Wie wichtig ist die Zielgruppe Frauen als Konsumentinnen Ihrer Meinung nach? Gehen Frauen anders mit dem Thema Wein um?
In meinen Augen wird die Weinwelt jünger und weiblicher. Der Weineinkauf war vor 15 Jahren Männersache. Das hat sich stark verändert und bringt deutlich mehr Flexibilität in den Genuss. Frauen lassen sich sehr leicht beraten, sind begeisterungsfähig und keine „Klugscheißer“. Außerdem sind die meisten Frauen auch über eine gute Ausstattung und ein interessantes Flaschendesign zu begeistern.
4. Welches Klischee über Frauen und Wein ärgert Sie am meisten?
Was mich sehr ärgert ist das stetige Klischee Rosé & Frauen. Ich kann schwer mit der Schublade „Frauenwein" umgehen. Geschmack ist nicht vom Geschlecht des Genießers abhängig!
5. Mit welchem Thema werden Sie sich als nächstes intensiver beschäftigen?
Aktuell engagiere ich mich sehr für die Verkehrsberuhigung der Berliner Friedrichstadt, also den Neben- und Seitenstrassen der Friedrichstraße rund um den Berliner Gendarmenmarkt. Ich arbeite als einzige Frau mit einem Team von Anrainern, Gastronomen, Interessenverbänden und Städteplanern daran, die historische Mitte verbraucherfreundlicher zu gestalten und der Gastronomie und dem Handel einen Mehrwert durch Lebensqualität zurück zu geben. Ein Mammut-Projekt, welches viel Zeit und Kraft fordert.
Das Interview mit Anja Schröder führte Dr. Anja Zimmer
Anja Schröder, Geschäftsführerin von Planet Wein, Weinhandel & Vinothek, Berlin. Fotoquelle: Anne Smith