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Wie weiblich ist Wein?

03.01.2022

Frauen und Wein - im Ernst? Das ist 2022 kein Thema mehr. Da jagen wir doch mal wieder nur vermeintlich einem Hype hinterher, weil Medien und Wissenschaft solche Themen trendig und cool finden. Oder doch nicht? Eine erste Recherche durch Dr. Anja Zimmer zeigt, schon die Datenlage ist schwierig.


Trinken Frauen mehr Wein?

Wer trinkt nun eigentlich mehr Wein, Frauen oder Männer? Schaut man sich eine Studie der Universität Geisenheim an (Weinkundenanalyse 2018/19), ist die Antwort klar. 56 Prozent des Weins wird von Frauen getrunken, sie trinken häufiger Wein (62%) und geben insgesamt auch mehr Geld aus, nämlich im Durchschnitt 185 Euro pro Jahr (Männer 175 Euro). Das heißt aber nicht, dass Männer sparsamer sind oder weniger Alkohol trinken, sie geben ihr Geld nur anders aus. Denn, so viel Klischee muss sein, Männer mögen Bier, 49 Prozent gleich mehrfach die Woche (Frauen 8%). Und tatsächlich trinken Männer dann doch mehr Alkohol: 40 Gramm am Tag, das entspricht einem Liter Bier. Frauen kommen nur auf 29 Gramm, also so etwa zweieinhalb Gläser Sekt.

Trinkgewohnheiten sind national

So weit, so klar. Allerdings ist das Gender Profil nach einer Umfrage von Wine Intelligence im internationalen Vergleich deutlich ausgeglichener: In den meisten Ländern liegt es bei Fifty/Fifty. Aus der Reihe fällt mit Großbritannien das einzige untersuchte europäische Land. Frauen liegen dort leicht in Führung (52 Prozent). Interessant ist auch die Datenlage in Asien. Während in China Männer die Statistik anführen, sind es in Japan die Frauen (beide jeweils 53 Prozent). Zusammengerechnet bleibt damit aber auch in Asien alles im Proporz. Eins ist jedenfalls klar geworden: Trinkgewohnheiten sind national.

Wein schnell mal bei Aldi mitnehmen?

Und noch ein Klischee: Männer kaufen im Fachhandel oder beim Winzer, machen daraus ein Event mit Fachgespräch und allem, was dazu gehört. Frauen machen nicht so einen Firlefanz, der Wein kommt im Discounter oder Supermarkt neben die Kartoffeln. Tatsächlich, 75 Prozent der Zeit ist das der Fall. Allerdings kaufen auch 70 Prozent der Männer ihren Wein im Discounter oder Supermarkt. Und so viel häufiger gehen sie auch nicht zum Winzer (13% im Vergleich zu 11% bei Frauen) oder Fachhändler (12% zu 10%).

Weiß, rot oder doch rosé?

„Leicht und lieblich“ und natürlich wegen der Farbe rosé, denn Frauen suchen sich ihren Wein dann doch gerne nach den Babyfarben der Werbung aus und nicht nach Geschmack - soweit die Klischees. Und ein bißchen stimmt das auch, zumindest in Deutschland: 14 Prozent der Frauen mögen Rosé. Aber ein reines Frauengetränk ist Rosé bei weitem nicht. Auch Männer können der Farbe etwas abgewinnen (11%). Ansonsten gilt, Frauen trinken etwas mehr Weißwein, manchmal auch süß. Statistisch hat allerdings die Frage, wie häufig jemand trinkt und welches Einkommen zur Verfügung steht, einen mindestens ebenso großen Einfluss darauf, welchen Wein wir trinken.

Und außerhalb von Deutschland? In den untersuchten westlichen Ländern lässt sich eine leichte Tendenz für Weißwein feststellen (Kanada 54%, Vereinigtes Königreich 52%, USA 51%). Bei Rosé-Wein lässt sich keine klare Tendenz feststellen. Hier variiert der weibliche Verbrauch zwischen 38 Prozent in Japan und 66 Prozent in Großbritannien. Wirklich klare Vorlieben gibt es nur bei Rotwein. Hier überwiegen international betrachtet die Männer mit 56 Prozent. Also doch Wucht, Kraft, Schwere, Verschlossenheit - den Cabernet Sauvignon zum Grillen.

Welche Unterschiede gibt es bei den Rebsorten?

Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Bei den Rebsorten gibt es keine riesigen Unterschiede zwischen Mädels und Jungs. Relativ gesehen mögen Frauen zwar lieber Riesling und Müller-Thurgau, bei anderen Rebsorten geht es aber eher mal ein Prozent rauf oder runter - wie der Statistiker sagt, das ist nicht signifikant. Und das ist gut so, denn Wein ist vielfältig wie das Leben. Manche Rotweine werden von Testern in einer Blindverkostung auch mal als Weißweine „erkannt“ und zwischen einem leichten, säurebetonten Riesling von der Mosel und einem Chardonnay aus dem fränkischen Holzfass liegen Welten, auch wenn beide Weine die gleiche Farbe haben.

Wer weiß mehr über Wein?

Vieles ist vielleicht auch nur eine Frage von Gewohnheit und Entdeckerfreude. Und manchmal auch Wissen. Sind hier die Männer Vorreiter? Auch das bestätigt die Statistik nicht. Männer und Frauen finden gleichermaßen, dass sie mehr über Wein wissen könnten. Fast die Hälfte der Menschen, die Wein trinken, bewertet ihr Wissen als (zu) niedrig und das, obwohl sie sich für Wein interessieren.

Frauen als Zielgruppe ernst(er) nehmen!

Die Untersuchungen zeigen einerseits, dass Frauen als Zielgruppe ernst(er) genommen werden sollten und andererseits, dass es zwar Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, diese aber doch deutlich weniger klischeehaft und oft auch weniger groß sind als so mancher denkt. Zahlen allein werden das Mysterium nicht lösen. Eine spannende Erkenntnis sollte aber nicht unerwähnt bleiben: Jüngere Studien zeigen, dass die Sensibilität für die Wahrnehmung von sensorischen Reizen nicht nur individuell verschieden, sondern auch genetisch bedingt ist. Das fängt beim Riechen an. Frauen reagieren auf Gerüche deutlich empfindlicher als Männer, denn sie haben fast 50 Prozent mehr Nervenzellen in der Nase. Und auch beim Schmecken liegen sie vorne, stellen einen höheren Anteil unter den sog. „Superschmeckern“, also Menschen mit einem größeren Arsenal ­an ­Geschmackspapillen und daher mehr Geschmacksknospen.

Wie sich das auf den Geschmack von Wein auswirkt, ist noch nicht ganz klar. Hier helfen die ganz praktischen Erfahrungen von Menschen, die sich jeden Tag mit Kundinnen und Kunden beschäftigen. Um mit der britischen Buchautorin und „Master of Wine“ Jancis Robinson zu sprechen: „Frauen gehen viel entspannter an das Thema Wein heran. Für Frauen ist die Wahl eines Weins kein Statussymbol. Frauen wählen einen Wein, den sie trinken wollen, nicht einen Wein, mit dem sie etwas zeigen wollen.“ Dabei sind viele Frauen ziemlich experimentierfreudig und viele Männer auch.

Lesen Sie mehr: Interviewreihe Frauen und Wein

Autorin: Dr. Anja Zimmer

Links:

Marie-Anne Wild, leidenschaftliche Gastronomin, Netzwerkerin und Podcasterin: Sie ist CEO des Restaurants Tim Raue in Berlin. Fotoquelle: Nils Hasenau

Anne Krebiehl, Editor-in-Chief Falstaff International.

Prof. Dr. Ruth Fleuchaus, Vice President Hochschule Heilbronn

Hilke Nagel, VDP Geschäftsführerin i.R. Fotoquelle: Peter Bender

Anja Schröder, Geschäftsführerin von Planet Wein, Weinhandel & Vinothek, Berlin. Fotoquelle: Anne Smith

Jennifer Henne-Bartz, 1. Vorsitzende, Vinissima - Frauen & Wein